Was passiert, wenn ein Unternehmen eine Kapitalerhöhung beschließt, während eine Stillhalterposition aktiv ist?
Am Beispiel der im März 2023 eröffneten Short-Put-Position mit der Lenzing als Basiswert werden die maßgeblichen Einflüsse von Kapitalerhöhungen auf den Optionshandel zusammengefasst.
Die Lenzing AG gab am 16. Juni 2023 bekannt, das Stammkapital um 400 Mio € zu erhöhen.
- Es werden ca. 12 Mio neuer Aktien zu 33,10 € platziert.
- Das entspricht einem Preisabschlag von 36 % auf den Mittelwert der Notierungen der letzten vier(?) Wochen.
- Aktionäre können pro 11 gehaltener Aktien 5 neue Aktien zum Emissionspreis beziehen.
- Die Bezugsrechte hierfür können vom 21. bis zum 29. Juni gehandelt werden.
- Die Kapitalerhöhung wird am 7. Juli vollzogen. Am 10 Juli werden die neuen Aktien eingebucht.
In Rahmen der Stillhalterstrategie befand sich eine, just an dem Freitag auslaufende Option mit einem Strike bei 56 € im Depot. Die Aktie kostete vor der Veröffentlichung der Kapitalmaßnahme 60 €, die Option war folglich wertlos. Allein der Spread von 1 € stand einer vorzeitigen Schließung im Wege.
Es gab einen Hinweis auf ein bevorstehendes, preisrelevantes Ereignis: Der Verlauf der impliziten Volatilität der Option:
Selbstkritisch müssen wir einräumen, diesem Signal nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.
Konsequenz für den Optionstrade
Die Aktie schloß am Tag der AdHoc-Meldung bei hohem Volumen mit einem Abschlag von über acht Prozent.
Der Schlußkurs lag mit 55,2 € unterhalb des Strikes der fälligen Option. Die Aktie wurde angedient. Buchhalterisch wurde sie mit dem Tagesschlußkurs und einem Ertrag von 8,6 % geschlossen.
Am nächsten Handelstag tauchten neben den eingebuchten Aktien auch zugeordnete Bezugsrechte (Initialwert: 6,9 €) im Depot auf.
Die Strikes sämtlicher offener Optionen wurden um 6,76 € reduziert.
Die Strategieposition mit einem Ursprungsstrike von 54 € trägt nun einen Strike von 47,24 €.
Die eingebuchten Aktien konnten zu 51 € glatt gestellt werden. Gelänge es, die Bezugsrechte zu 5 € zu veräußern, würde der planmäßige Ertrag des Stillhaltertrades erzielt.
Preisschätzung Bezugsrechte
Je 11 Aktien erhält ein Investor das Recht 5 neue Aktien zu 33,10 € zu erwerben. Aus dem Bezugsverhältnis kann der faire Wert eines Bezungsrechts ermittelt werden.
- Je 2,2 Bezugrechte kann eine Aktie erworben werden ( 11 / 5 )
- Der Wert des Bezugsrechts ergibt sich aus der Division der Differenz zwischen Marktpreis und Preis der neuen Aktien ( 51 € - 33,10 € = 17,90 ) dividiert durch obige 2,2
- Marktpreis: 51 € => 8,13 €
- Marktpreis: 49 € => 7,21 €
- Marktpreis: 44,1 € => 5 €
Solange die Aktie nicht unter 44,10 € fällt, können die Bezugsrechte vorteilshaft veräußert werden.
Fazit
Die Kapitalerhöhung hatte dank des weiten Abstands des Strikes der Option vom Marktpreis (voraussichtlich) in diesem Fall keinen negativen Einfluß auf das Handelsergebnis.
Nicht alle Kapitalerhöhungen verlaufen allerdings so reibungslos. Stillhalter werden zwar für die nicht zugeteilten Bezugsrechte entschädigt. Die Preisabschläge können allerdings erheblich und nachhaltig sein, wie z.B. das Beispiel Tui zeigt.